Älter werden mit Helmut

Ich sah, wie er ganz klein war, wie so ein Puppenhündchen, das manchmal auf den Ablagen von Autos steht und den Kopf unmotiviert wackelt. Wie er nach den ersten Händen, die ihn niedlich fanden, schnappte. Wie er, noch voll im Teeniealter, los ging, wie von einer Tarantel gestochen, auf andere und Hunden zeigen musste, wer hier der Chef ist. Auch bei Frauchen und Herrchen, so dass ein Hundetrainer eingeschaltet werden musste und sich sein Verhalten leicht verbesserte.

Die Unberechenbarkeit und plötzliche Aggressivität blieb. Der, der aussieht, wie ein Wuschelhund, fiel bei Gelegenheit und schlechter Laune auch mal nette Bekannte, die ihm über den Weg liefen, an und biss denen ins Bein.

Immerhin wohnte ich innerhalb einer WG drei Jahre mit ihm, nachdem er mich anfänglich auch mal an der Haustür stellte, von Herrchen zurück gehalten werden musste, damit er mich nicht anfiel, entwickelte sich unser Verhältnis mit distanzierter Freundlichkeit und Respekt. Mittlerweile freut er sich schon, wenn er mich sieht. Aber er ist auch älter und gelassener geworden, springt nicht mehr über jedes Stöckchen.

Überhaupt zeigt sein Älterwerden die ganze Vergänglichkeit des Lebens und macht mich an diesem Wochenende, wo ich mich um ihn kümmern muss, auch melancholisch. Helmut steht nicht mehr so im Mittelpunkt, er ist halt noch da. Fressen, pinkeln und kacken sind seine Hauptbeschäftigungen, natürlich noch rumliegen und schlafen. Vielleicht war schon immer so, aber das rumtoben, andere Hunde kennen lernen, austesten, seine Halter foppen und viele andere kleine Nettigkeiten fallen völlig weg. Eigentlich langweilig.

Wahrscheinlich geht es uns als älter werdenden Menschen ähnlich. Oder wir haben diese melancholische Zeit noch vor uns. Die Interessenlagen reduzieren sich, irgendwann wird man als lästiges Beiwerk des welken Lebens angesehen und dann weiß man, bald ist es Zeit für die letzte Reise. So wie bei Helmut, der sich schon darauf vorbereitet.

Ein Hühnerbein als Höhepunkt, einmal noch dem Herrchen entschwinden, mehr Spannung ist dann nicht. Auch für uns sind die Jahre ins Land gegangen und wir werden uns mit der erzwungenen Neujustierung unseres Seins auseinander setzten müssen. Wenn wir dann so richtig mit dem älter werden zu tun haben, wird Helmut schon lange nicht mehr sein.

Eine Antwort zu “Älter werden mit Helmut

  1. Meine Hündin ähnelte lange dem jungen Helmut, jetzt wird sie ruhiger, langsamer und schläft viel mehr. Ob es uns auch so gehen wird, wenn wir alt werden? Ich weiß es nicht, aber ich wünsche mir eine Zeit nach der Berufstätigkeit, in der ich endlich Zeit für alle meine Interessen habe, lesen und die Welt noch mal entdecken kann. Der körperliche Verfall, der ist unaufhaltsam, schon jetzt mit Anfang 50 merke ich deutliche Veränderungen, aber was soll’s, der Spaß am Leben bleibt.

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